[vc_row][vc_column][vc_single_image image=“35866″ img_size=“full“ add_caption=“yes“][/vc_column][/vc_row][vc_row margin_top=“30″ margin_bottom=“5″][vc_column][vc_column_text]von Julia Zinnbauer[/vc_column_text][vc_column_text]
Das Mainzer Rathaus ist ein Gesamtkunstwerk
[/vc_column_text][vc_column_text]Seit Jahren diskutiert man, ob man das Mainzer Rathaus nicht einfach abreißen soll. Zum vierzigsten Geburtstag des Gebäudes von Arne Jacobsen und Otto Weitling fand nun im Foyer des Hauses eine Ausstellung statt, die einmal die gesamte Entstehungsgeschichte aufrollte und das groß angelegte Konzept hinter dem Entwurf der beiden Architekten erklärte. Dabei wurde vor allem eines ganz deutlich: das Mainzer Rathaus ist ein Gesamtkunstwerk.
In kaum einem anderen Medium entlädt sich die Wut des ansonsten meist friedfertig-toleranten Bürgers so ungebremst, wie im Kommentarbereich von Architekturberichten. Die Online-Versionen seriöser Tageszeitungen bieten die Möglichkeit, einmal all das herauszulassen, was sich über Jahre hinweg in Form von Missmut und sorgsam gezügeltem Zerstörungswillen angesammelt hat. Worte wie „Bausünde“ und „Bunker“ werden immer und immer wieder vorgebracht, wenn es um modernes Bauen geht. Man fragt sich, wie die Moderne mitsamt ihrer Architektur an den offensichtlich auch nicht mehr so ganz jungen Schreibern komplett vorbei gehen konnte, ohne von ihnen jemals als Idee zur Kenntnis genommen zu werden.[/vc_column_text][vc_column_text]
Es ist schlichtweg ignorant, den Gebäudekomplex auf den Begriff des „vergitterten Bunkers“ zu reduzieren
[/vc_column_text][vc_column_text]Ein Objekt, das aufgrund seiner Strenge und Monumentalität ganz besonders in Ungnade gefallen ist, ist das Mainzer Rathaus. Das Gebäude, das in der Silvesternacht 1973/74 eingeweiht wurde, bietet alles, um gleichermaßen geliebt und gehasst zu werden. Der für die Schönheit, Eleganz und Funktionalität seiner Entwürfe bekannte Arne Jacobsen hat in Mainz ein so groß angelegtes Gesamtkonzept umgesetzt, dass es schlichtweg ignorant ist, den Gebäudekomplex auf den Begriff des „vergitterten Bunkers“ zu reduzieren (wie in der WELT (http://www.welt.de/kultur/kunst-und-architektur/article111925242/50-Millionen-um-ein-haessliches-Rathaus-zu-retten.html)). In seiner Doppelfunktion als Architekt und Designer entwarf Arne Jacobsen ein Gesamtkunstwerk, das in seiner Vielschichtigkeit vom Türschild bis zum städtebaulichen Gesamtkonzept reicht.
Aus der Altstadt mit ihren historischen Gebäuden und verwinkelten Straßen gelangt man über eine Brücke, die von einem Uhrenturm bewacht wird, auf den großen freien Platz vor dem Rathaus. Von dort aus sieht man, wenn man sich um seine eigene Achse dreht, den Rhein, eine Brücke, das Rathaus mit seinen gitterartigen Sonnenblenden, den Dom, das Kongresszentrum und wieder den Rhein. Jacobsen war es wichtig, dass das Rathaus einer Stadt, die an einem Fluss entstanden ist, sich auch direkt an diesem Fluss befindet. Die diagonal verlaufende Fassade des Gebäudes und die riesige Fläche davor sah er als große Geste, die auf den Rhein als Ausgangspunkt der Besiedelung hinweist. Einen zusätzlichen Rhythmus erhält die Fläche durch die vier großen, auf Stahlträger montierten Lampen, die, so Jacobsen, Bäume repräsentieren.[/vc_column_text][vc_column_text]
Wem Arne Jacobsens anspielungsreiche Bildsprache nicht gefällt, der denkt in groben Rastern
[/vc_column_text][vc_column_text]Kritisiert wurde an Jacobsens Gebäude von Anfang an dessen monumentale Form in Verbindung mit den riesigen Gittern vor den Fenstern. Und auch den Eingang hatte man sich irgendwie repräsentativer vorgestellt. Tatsächlich war es Jacobsen bei all seinen Entwürfen immer ein Anliegen, einen Bezug zur Natur herzustellen. Die Fassade des Mainzer Rathauses sollte entgegen der weit verbreiteten Meinung, der Bau gleiche einem vergitterten Bunker, etwas absolut Lebendiges sein, das sich unablässig ändert und immer neue Lichtreflexe und Schattenkonstellationen produziert, je nach Atmosphäre, Tages- und Jahreszeit. Durch die Sonnenblenden war es möglich, das Fensterglas ungetönt zu belassen, so dass man vom Innenraum aus das gesamte Stadt- und Naturpanorama ungetrübt betrachten kann. Zudem sollten die eloxierten Metallelemente durch ihre Proportionen in Beziehung zu den umliegenden Gebäuden treten und selbst so aussehen, wie abstrahierte Stadthäuser, die auf einen weißen Grund aus Naturstein gezeichnet wurden. Der niedrige Eingang zum Rathaus sollte schlicht eine Form von Understatement darstellen. Im Rathausinnern wandert der Blick zunächst nach oben, wohin zwei türkisfarbene, röhrenförmige Aufzüge führen. Geht man weiter geradeaus, erreicht man verschiedene Ausstellungsräume und den kreisrunden Ratssaal, der sich, wie man von außen deutlich erkennt, vom Rest des Gebäudes absetzt.
Jacobsen, zu dessen bekanntesten Entwürfen heute, neben dem legendären SAS Hotel in Kopenhagen, die Stuhl-Linie 7 mitsamt der „Ameise“ gehört, stattete auch das Mainzer Rathaus mit Möbeln und Lampen aus. Zwar hat man für die Ausstellung noch einmal etliche der typischen, filigran wirkenden Stühle mit ihren geschwungenen Lehnen und Beinen im Rathaus versammelt, wie im SAS Hotel ist aber auch dort nicht mehr die ursprüngliche Originalausstattung vorhanden. Tatsächlich wurden vor einigen Jahren viele der Mainzer Möbel versteigert, um mit dem Erlös die verbleibenden Stücke zu restaurieren.
Was bei einem Gang durch das Gebäude auffällt, ist die immer wieder auftretende Kreisform. Das reicht von einem kreisrunden Lichteinlass in der Decke des Ratsaals über die Anordnung der Sitze, die sich dort um einen Stadtplan-Teppich gruppieren, über die Lampenschienen in den Ausstellungsräumen und die Positionierung der cognacfarbenen Sitzbänke, über die im Innern mit Messing verkleideten Aufzüge bis nach außen zu der Brunnenanlage und dem Uhrenturm. Dort nämlich, wo der Besucher gleichermaßen begrüßt und verabschiedet wird, bilden die roten Zeiger der Uhren auf dem hellen Steinuntergrund im Verlauf einer Stunde das Mainzer Stadtwappen nach, das rot-weiße Rad.
Abschließend bleibt zu sagen: wem Arne Jacobsens anspielungsreiche Bildsprache nicht gefällt, der entlarvt sich als jemand, der in groben Rastern denkt. Und tatsächlich scheint man mittlerweile von einem Abriss abzusehen und stattdessen eine Sanierung zu planen.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Dieser Artikel erschien zuerst am 01.12.2014 auf scissorella.de Alle Bilder ©Julia Zinnbauer[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_text_separator title=“Medien“ i_icon_fontawesome=“fa fa-camera-retro“ i_color=“grey“ add_icon=“true“][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_media_grid grid_id=“vc_gid:1489540258365-39479998-dcfc-5″ include=“35869,35868,35866,35865,35864,35867″][/vc_column][/vc_row]
Ein grossartiger Beitrag, Vielen Dank!
Vielen herzlichen Dank für den netten Kommentar!
Mittleweile hat man ja glücklicherweise beschlossen, das Mainzer Rathaus nicht abzureißen, auch auf das Engagement des Internationalen Rats für Denkmalpflege (ICOMOS) hin. So feierte ICOMOS Deutschland vor kurzem sein fünfzigjähriges Bestehen mit einem Kolloquium im Ratssaal des Gebäudes von Arne Jacobsen. Darüber hinaus freue ich mich riesig darüber, dass eines meiner Fotos des Mainzer Rathauses für das Titelblatt der Jubiläums-Publikation von ICOMOS Deutschland verwendet wurde. Das gesamte Buch sowie alle weiteren ICOMOS-Jahreshefte kann man sich hier als pdf-Datei herunterladen: http://www.icomos.de/icomos/pdf/icomos_denkmalbaukultur.pdf
Viele Grüße!